2009 Rückblick:
M&A Transaktionen im Distanzhandel
Das vergangene Jahr ist in Großbritannien und Deutschland durch ein hohe Anzahl von Insolvenzfällen gekennzeichnet. Die Gesamtzahl der M&A Transaktionen im Distanzhandel in drei Kernländern lag mit 100 Transaktionen leicht über Vorjahr. Jetzt mag die Verwunderung groß sein, zumal wir mit einer rückläufigen Anzahl von Transaktionen gerechnet haben. Dies aufgrund der nach wie vor restriktiven Kreditvergabe der Banken und der Verkaufszurückhaltung von erfolgreichen Unternehmern angesichts der eingebrochenen Unternehmensbewertungen.
Ein Blick hinter die Zahlen fördert jedoch schnell den wahren Grund für den Anstieg der Transaktionen zu Tage: Der Anteil der Transaktionen, die kurz vor oder aus der Insolvenz heraus getätigt wurden, lag mit 38 Transaktionen bei über 35%! Man kann außerdem davon ausgehen, dass dieser Anteil aufgrund einer hohen Dunkelziffer noch höher ausfällt. Im Jahr zuvor lag der Anteil der Transaktionen aus der Insolvenz heraus noch bei 25%.
Die Anzahl der M&A Transaktionen mit Private-Equity-Beteiligung ist mit 20 Transaktionen in 2009 gegenüber den 25 Transaktionen des Vorjahrs erwartungsgemäß stark rückläufig. In diesem Segment gab es wenige Überraschungen. Die überwiegende Mehrzahl der Transaktionen betrafen Restrukturierungsfälle oder Transaktionen mit überschaubaren Transaktionsgrößen. Erwähnenswert sind die Akquisitionen J. Jill und Eddie Bauer durch Golden Gate Capital in den USA, die diese Unternehmen so vor dem Untergang retten konnten. Zudem ist die Übernahme von RTL Shop UK durch Aurelius und natürlich der Kauf von HSE24 durch AXA Private Equity nennenswert.
Bei der Betrachtung der einzelnen geographischen Segmente fällt auf, dass die Anzahl der Transaktionen in den USA stark eingebrochen ist, während Deutschland, UK und das Cross-Border-Segment stark zulegen konnten. An diesem Fall wird sehr anschaulich wie der Zeitversatz in der wirtschaftlichen Entwicklung der drei Versandhandelskernländer USA, UK und Deutschland wirkt. Während in den USA der größte Teil der Marktbereinigung durch Insolvenz schon 2008 abgewickelt wurde, waren Großbritannien und Deutschland massiv im Jahre 2009 betroffen. Großbritannien war eher im ersten Halbjahr betroffen und Deutschland, durch den Arcandor-Fall beeinflusst, im zweiten Halbjahr.
In den USA ist die Anzahl der Transaktionen im Jahre 2009 mit 33 Transaktionen gegenüber 56 in 2008 stark rückläufig. Die Gründe hierfür sind zum einen in der bereits in 2008 vollzogenen Marktbereinigung zu suchen und zum anderen in einer Kombination aus restriktiver Kreditvergabe seitens der Banken und den schlechten Ergebnissen möglicher Zielunternehmen im Zuge des Konsumrückgangs. Schließlich konnten Serienkäufer wie z.B. Airgas (10 Transaktionen in 2008) ihr Tempo in diesem Jahr nicht halten (2 Transaktionen).
In UK lag die Anzahl der Transaktionen bei 26 über Vorjahresniveau. Davon waren 18 Transaktionen, also fast 70% aller Transaktion Insolvenz- oder Vorinsolvenzfälle. Insbesondere war das erste Halbjahr 2009 durch alleine 14 Insolvenztransaktionen stark betroffen. Im zweiten Halbjahr beruhigte sich die Lage mit nur 4 Fällen.
In Deutschland lag die Anzahl der Transaktionen bei 19 in 2009, mehr als doppelt so hoch wie in 2008. Auch hier fielen die Insolvenzfälle stark ins Gewicht, die mit alleine 11 Transaktionen zu Buche schlugen. Allerdings war Deutschland stark von der Insolvenz der Arcandor-Gruppe überschattet, die im zweiten Halbjahr die Statistik mit 5 Notverkäufen im Versandhandel dominierten.
Die Anzahl der grenzübergreifenden (“Cross-Border”) Transaktionen in 2009 hat sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt und ist somit wieder auf dem Niveau von 2007. Mit grenzüberschreitenden Transaktionen erfassen wir solche Transaktionen, in denen wenigstens der Käufer oder Verkäufer in den USA, UK oder Deutschland ansässig ist. Der Gegenpart ist jeweils in einem anderen Land ansässig. Traditionell wird der Cross-Border-Bereich vom B2B Segment dominiert, das mit 13 Transaktionen mehr als die Hälfte aller Cross-Border-Deals stellte. Zudem sind in dem Cross-Border-Segment international sehr gut aufgestellte Konzerne zu finden, die letztes Jahr einige Schnäppchen machen konnten. So z.B. Brady mit der Akquisition von Welco in Großbritannien.
Auch die Otto-Gruppe ergriff mit 4 Transaktionen im letzten Jahr, die Gelegenheit ihre gute Positionierung in der Branche weiter auszubauen: In Deutschland akquirierte Otto Limango, eine Art Vente Privee für Familien und kaufte gleich 3 Versender aus der Insolvenz, Venus Swimwear in den USA, wesentliche Vermögenswerte der Quelle Deutschland und Quelle Russland.
Die weitaus größte und bedeutendste Transaktion war die Akquisition von Zappos durch Amazon für ca. 850 Mio. USD. Die Hauptmotivation für diese Transaktion lag darin, dass Amanzon durch die Akquisition von Zappos einen zukünftig gefährlichen Wettbewerber vom Markt nehmen konnte.
Wegweisend war auch der Kauf von Retail Convergence bestehend aus den Unternehmen Rue La La und Smartbargains durch GSI Commerce. Rue La La ist ein amerikanisches Unternehmen im Bereich des Markenabverkaufs wie Vente Privee oder Brands4Friends und SmartBargains ist ein Schnäppchenversender. Durch diese Kombination entsteht ein Dienstleister, der zugleich Händler ist.
Für das laufende Jahr erwarten wir eine rückläufige Anzahl von Transaktionen mit Insolvenzimplikation, da wir die Marktbereinigung in den USA und in Großbritannien für so gut wie abgeschlossen halten. Ein Sonderfall ist die Arcandor-Gruppe, aus deren Umfeld in den nächsten Jahren sukzessive noch einige interessante Transaktionen zu erwarten sind.
Zudem gibt es eine anhaltende Zurückhaltung seitens erfolgreicher Unternehmer, ihr Unternehmen zu verkaufen. Die Krise ist hierzulande noch nicht ausgestanden und die Zahlen über und unter dem Strich sind noch nicht wieder im Lot. Dies gilt insbesondere für das B2B-Segment.
Der Lichtblick in diesem Jahr wird vermutlich die USA sein, wo der boomende Markt für Unternehmensanleihen schon wieder für eine zunehmende Unternehmenskaufneigung sorgt.